Skeptiker 01-4 Cover

Skeptiker 01-4

Hypnose
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Herausgegeben von der GWUP Logo

Skeptiker 01-4 Inhaltsverzeichnis
Editorial: Als die Hypnose-Skeptiker den Kopf verlorenAndrea Kamphuis
Thema
Hypnose als psychotherapeutische Methode: Gut untersucht und wirksamDirk Revenstorf
Eigene Ressourcen optimal nutzen: Können wir unsere Leistungen durch Hypnose verbessern?Ulrike Halsband
Willenlos im Rampenlicht: Methoden und Gefahren der ShowhypnoseHans-Christian Kossak
Berichte
Bühnenhypnose entzaubertRob Nanninga
Parawissenschaften im Osten Europas: die 10. Europäische Skeptiker-KonferenzMartin Mahner
Forum
Erfundenes Mittelalter: Schluss der Debatte: Vergebliche AbwehrHeribert Illig
Skepsis in der Chemie: Erwiderung zum Aufsatz von van Genderen et al.Rupert Sheldrake
Nicht überzeugend für ProfisMarcel van Genderen, Bart Koene, Jan Willem Nienhuys
Panorama, Buchkritik
Hoffman, Donald D.: Visuelle IntelligenzRainer Wolf
Degen, Rolf: Lexikon der Psycho-Irrtü,merRouven Schäfer
Kutschera, Ulrich: EvolutionsbiologieMartin Mahner
Dawkins, Richard: Der entzauberte RegenbogenInge Hüsgen
Ziegler, Roland: Ayurveda & CoIrmgard Oepen
Magazin
Affenzirkus, Pantherjagd und KrokodilalarmMark Benecke, Silke Teichmann
Ein Krokodil zu vielUlrich Magin
Der Eisenplatten-Trick der Shaolin-MöncheBernd Harder

Editorial: Als die Hypnose-Skeptiker den Kopf verloren

Zu Beginn der 1780er-Jahre stand Franz-Anton Mesmers Hypnosekunst in Frankreich hoch im Kurs. Auch Königin Marie-Antoinette hielt große Stücke auf den so genannten „tierischen Magnetismus“. Mesmer – seit 1781 in Paris – nahm an, die dramatischen Bewusstseinsveränderungen, die er bei seinen Patienten und Probanden erzielte, seien auf ein magnetisches Fluidum zurückzuführen, das von seinen Händen ausgehe. König Louis XVI. war der ganze Rummel suspekt, und so beauftragte er im März 1784 zwei hochrangig besetzte Kommissionen mit der Untersuchung von Mesmers vermeintlichen Heilungserfolgen: eine aus Mitgliedern der Académie des Sciences und der Académie de Médecine, die andere aus den Reihen der Société Royale.

Einige der Namen sind uns heute noch vertraut: der Astronom und Pariser Bürgermeister Jean Bailly, der Chemiker Antoine Lavoisier, der amerikanische Elektrizitätsexperte und Botschafter Benjamin Franklin sowie der Arzt Joseph Guillotin, dessen Erfindung (ein „humaner“ Hinrichtungsapparat, ganz im Geiste der Aufklärung) übrigens die Schicksale einiger der Beteiligten wenige Jahre später noch einmal zusammenführte: In der französischen Revolution verloren Louis, Marie-Antoinette, Bailly und Lavoisier so den Kopf.

Am 4. 9. 1784 stellte Jean Bailly der Akademie der Wissenschaften die Ergebnisse der Kommissionen vor. Aus seinem Vortrag – „Exposé zu den Erfahrungen, die zur Untersuchung des animalischen Magnetismus gesammelt worden sind“ – wurde deutlich, dass sich die Existenz eines heilmächtigen „magnetischen Fluidums“ nicht nachweisen ließ. Die unleugbaren therapeutischen Erfolge führte man auf Suggestion und Einbildung zurück; Mesmer wurde als Schwindler bezeichnet; man hatte den Eindruck gewonnen, er habe nur solche Krankheiten heilen können, die überhaupt erst durch die Magnetisierungsmode in Erscheinung getreten waren. Der König wurde eindringlich auf die Risiken aufmerksam gemacht, die mit der „erotischen Anziehung“ zwischen den Magnetiseuren und ihren Patientinnen einhergingen. Benjamin Franklin warnte außerdem seine ebenfalls in Paris weilenden Enkel, die Hypnose vermöchte bei Wankelmütigen den christlichen Glauben zu erschüttern.

Das Staatsministerium verbot die Ausübung des tierischen Magnetismus zu Heilzwecken. Mesmer verließ Paris im darauf folgenden Jahr.

Mir scheint, die Hypnose-Skeptiker des 18. Jahrhunderts haben das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. So richtig die Erkenntnis war, dass Mesmers Erklärung für das Phänomen Hypnose nicht zutraf, so leichtsinnig war es, ihre Wirkung als bloße Einbildung abzutun. Die Crux liegt in dem Wörtchen „bloß“: Einbildung kann nämlich, wie die drei Themenartikel und der Bericht unseres Heftschwerpunktes zeigen, allerhand bewirken. Bei aller kritischen Distanz zu den überzogenen Versprechungen unseriöser Hypnose-Angebote und auch zu einigen der Theoriegebäude, in die seriöse Hypnotherapie eingebunden wird, sollten Skeptiker heute nicht gleich den Kopf verlieren, sondern sich unbefangen über die faszinierenden Vorgänge informieren, die sich während der Trance in der menschlichen Psyche abspielen.

Gerne hätten wir den Schwerpunkt durch einen Bericht über eine aktuelle hypnosekritische Forschung abgerundet: über ein Experiment eines Psychologieprofessors, das darauf hindeutet, dass Hypnose das Erinnerungsvermögen keineswegs verbessert, sondern lediglich zu einer Überschätzung der Zuverlässigkeit der eigenen Gedächtnisleistung führt (siehe Panorama). Durch eine Pressemitteilung auf dieses Resultat aufmerksam geworden, baten wir den Forscher um eine Fachpublikation, aus der Einzelheiten hervorgingen. Eine solche Publikation gibt es jedoch noch nicht; die Pressemitteilung basiert auf einem Konferenzvortrag.

Auch diese Tendenz der letzten Jahre – sensationelle Ergebnisse öffentlich bekannt zu machen, bevor sie in Fachorganen publiziert (und damit für Kollegen überprüfbar) sind – sollte für Skeptiker ein Thema sein. Ich fürchte, diese nächste Stufe der Beschleunigung – nach der ebenfalls nicht unbedingt qualitätsfördernden Phase des „publish or perish“ – lässt die Grenze zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft hie und da verschwimmen, zwar nicht in der Theorie, aber in der Praxis (Überprüfbarkeit). Die Jagd nach Fördermitteln sollte nicht dazu führen, dass Wissenschaftler das öffentliche Interesse suchen und die öffentliche Meinung zu einem Thema prägen, bevor sie ihr Versuchsdesign und ihre Daten veröffentlicht und damit eine unabhängige Bestätigung oder Widerlegung ermöglicht haben.

Andrea Kamphuis

Danke für Ihr Interesse!