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Argumente und Kritik (Vorwort)

Rassismus, die Leugnung des Holocaust, Aids ohne HIV, und andere fragwürdige Behauptungen
Skeptisches Jahrbuch 1997

Herausgegeben von Michael Shermer, Benno Maidhof-Christig und Lee Traynor

Alibri, 1996, 309 S., ISBN 3-9804386-3-5. Counter page views.

Vorwort

Zwanzig Jahre moderner Skeptizismus (Allgemeiner Teil)
Macht Geld krank? (Eine Geschichte für Skeptiker)
Quo vaditis sceptici? (Vorstellung einzelner Kapitel)

Zwanzig Jahre moderner Skeptizismus

Im Jahre 1976 taten sich einige Wissenschaftler und Philosophen zusammen, um eine Stellungnahme gegen die Astrologie zu formulieren. Es war die Zeit, als die Astrologie ihre heute noch auflagenstarke Stellung gerade eingenommen hatte, viele Zeitungen unterhielten eine Horoskop-Kolumne und jedes Jahr zu Weihnachten erschienen dutzendweise Bücher, die Einblicke ins nächste Jahr versprachen. Es war aber auch die Zeit eines „zweitrangigen Berufszauberers“ (so James Randi über Uri Geller), der Löffel verbog und alte Uhren wieder in Bewegung setzte, und des mehr oder weniger eleganten Betrügers Erich von Däniken mit seinen unaufhörlichen Fragen nach einem außerirdischen Ursprung der Zivilisation. Und der Kalte Krieg forderte Opfer in den Köpfen der Militärs: Man versuchte, real existierende sowjetische Raketen durch Verbrennen zu zerstören. Will heißen durch Verbrennen ihrer Photos . Heute verwendet man in der Abrüstung wohl konventionellere Methoden.

Aus den Astrologiegegnern wurde zunächst das Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal (CSICOP Inc, P.O.Box 703, Amherst, NY 14226, USA, Tel.: +1-716-636-1425, http://www.csicop.org), das die Zeitschrift Skeptical Inquirer herausbringt, die eine Kombination von alten Weisheiten und neueren Untersuchungen über das vermeintlich „Paranormale“ enthält. Eine Bewegung wuchs langsam heran, seit zehn Jahren verstärkt auch außerhalb der USA, so daß es heute in vielen Ländern Skeptiker-Organisationen gibt, die ihrerseits Zeitschriften herausbringen, mal sind es eigene Beiträge, mal sind es Übersetzungen von Beiträgen aus den Zeitschriften der Schwesterorganisationen. Wie das Land, so die merk- und fragwürdigen Behauptungen. Wasser fließt in unterirdischen Adern lediglich in Deutschland und vielleicht Australien, aber kaum woanders, und Außerirdische haben eine pikante Vorliebe für die Geschlechtsorgane unserer amerikanischen Cousins und Cousinen und interessieren sich nicht die Bohne, was so bei anderen Völkern läuft. In Deutschland müssen geschäftstüchtige Ärzte „Homöopathische Behandlung“ aufs Schildchen kleben, sonst bleiben ihnen die Patienten weg. Dagegen zieht man in Australien den echten Knochenbrecher, den Chiropraktiker vor. Different folks, different strokes.

In der deutschsprachigen Welt ist die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP, Postfach 1222, D-64374 Roßdorf, Tel.: +49-6154-695021, Fax: +49-6154-695022, http://www.gwup.org) auf diesem Gebiet tätig. Sie führt Untersuchungen durch, gibt eine Zeitschrift heraus (SKEPTIKER hat zwei der in diesem Buch erscheinenden Beiträge in anderer Übersetzung veröffentlicht), und organisiert jährlich Konferenzen mit aktuellen Themen (1997 in Nürnberg, 1998 ist in Deutschland die Durchführung einer Weltskeptikerkonferenz geplant). Dort berichten Experten aus verschiedenen Bereichen über die ernüchternden Tatsachen, die hinter manchen neuen oder auch nur vermeintlich neuen spektakulären Behauptungen stecken.

Zwanzig Jahre moderner Skeptizismus haben viele Erkenntnisse gebracht, nicht nur über einzelne Phänomene, sondern zunehmend über Parallelen und Unterschiede zwischen den verschiedenen behaupteten Phänomenen. Im Vordergrund stehen Erkenntnisse über unzureichende Methoden, um die Existenz der behaupteten, ungewöhnlichen Phänomene tatsächlich zu beweisen. Unter „ungewöhnlichen Phänomenen“ verstehen wir:

  1. eine Gruppe von Menschen behauptet, ihr Unwohlsein (Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen, Erbrechen, usw. usf.) werde durch elektrische Leitungen, Zahnfüllungen oder „Erdstrahlen“ verursacht;
  2. ein Elternteil behauptet, sein autistisches Kind könne sich dank einer neuartigen Methode jetzt wie ein normales Kind mitteilen;
  3. ein Wünschelrutengänger behauptet, er könne Wasser in zwei Kilometern Tiefe spüren;
  4. eine Frau behauptet, sie habe durch Hypnose Erkenntnisse erlangt, daß sie in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht worden sei.

Es ist nicht immer leicht, die Schwäche dieser Behauptungen gleich zu erkennen. Manchmal sind Behauptungen derart ungewöhnlich, daß sie ungewöhnlicher Beweise bedürfen. So in den Beispielen b) und c). Eltern von autistischen Kindern hegen oft große Hoffnungen, daß sich ihre Kinder irgendwann wie „normale“ Kinder verhalten werden; da ist die Gefahr einer Täuschung sehr groß. Und da Wunschdenken die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß eine Täuschung vorliegt, muß sie durch geeignete Untersuchungsmethoden ausgeschlossen werden. Der Wünschelrutengänger, der Wasser in zwei Kilometern Tiefe vermutet, wird wahrscheinlich wissen, daß kaum jemand ein derart tiefes Loch bohren wird, um seine Behauptung nachzuprüfen. Da er praktisch nicht mehr angreifbar ist, wird es jetzt eine Frage der Autorität des Rutengängers: Kann man ihm glauben oder nicht? In Beispiel a) geht es darum, die Ursache einer Krankheit zu identifizieren. Wenn man krank ist, ist man noch lange kein Experte für die Krankheit und ihre Ursachen. Eine besondere Art von Täuschung entsteht, wenn Opfer einer Krankheit aufeinandertreffen, feststellen, sie wohnen oder arbeiten unter ähnlichen Bedingungen, und dann nach weiteren Opfern suchen, die unter den gleichen Bedingungen leben oder arbeiten. Subjektiv haben sie das starke Gefühl, die Ursache gefunden zu haben - inzwischen hat man so viele Opfer ausfindig gemacht, die z.B. alle neben dem Radiowecker geschlafen haben. Aber auch diese Methodik ist nicht ausreichend, um Kausalität herzustellen, denn man muß auch Vergleichsgruppen heranziehen, Menschen, die neben dem Radiowecker schlafen und keine Symptome haben; oder auch Menschen, die Symptome, aber keinen Radiowecker haben. Aber die Wirkung der Täuschung soll man nicht unterschätzen. Sehr oft hört man dann, daß diejenigen, die neben einem Radiowecker schlafen, aber keine Symptome zeigen, nur noch nicht krank sind (sie werden es vielleicht) und die, die Symptome zeigen, aber keinen Radiowecker besitzen, einer anderen Quelle elektrischer oder magnetischer Felder ausgesetzt gewesen sind. Die Erklärungen schießen ins Kraut, die Behauptungen werden gegen Kritik immunisiert. Und wer unter Hypnose „verschüttete Erinnerungen“ entdeckt, findet es unwiderstehlich, an die Echtheit dieser Erinnerungen zu glauben, weil es zunächst keine Gegenbeweise gibt. Es könnte durchaus sein, daß man (oder frau) sexuell mißbraucht wurde; die Möglichkeit, daß dies der Fall war, wollen auch wir nicht ausschließen. Aber der Fehler liegt darin, die Möglichkeit der Widerlegung auszuschließen. Daß der mutmaßliche Täter den Tatbestand bestreitet, kann deswegen nicht als Beweis für seine Schuld angesehen werden, weil auch ein Unschuldiger seine Unschuld beteuern wird. Auch wenn die Hypnose eine geeignete Methode wäre, um verlorengegangene Erinnerungen zu finden, müßte man weitere, unabhängige Beweise erbringen. „Bewiesen“ ist dann vorläufig, was nach dem Stand der Beweise am wahrscheinlichsten scheint. Man muß sich nicht für immer festlegen, denn neue Beweise können es notwendig machen, eine Meinung oder ein Urteil zu revidieren. Moderner Skeptizismus richtet sich gegen dogmatische Entscheidungen und ideologische Verkrustung. Laura Pasley wird uns ihre Geschichte erzählen, in deren Verlauf sie ihre Eltern beschuldigte, sie sexuell mißbraucht zu haben, um dann, erst viel später, die Anschuldigungen als unbegründet zurückzunehmen.

Mit den Stichwörtern „Autorität“ und „Immunisierung gegen Kritik“ ist sogleich ein Merkmal des modernen Skeptizismus angesprochen. Ein skeptischer Mensch begnügt sich nicht mit der Feststellung alleine, daß etwas nicht so ist, wie behauptet wird; er sucht weiter nach dem Warum. Viele der Menschen, die an die Gefährlichkeit elektromagnetischer Strahlung glauben, sind fest und ehrlich davon überzeugt. Sie wollen niemanden übervorteilen, ihre Besorgtheit ist echt. Bei anderen dagegen ist man nicht so sicher. Besonders wenn es darum geht, gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen oder Geld zu verdienen, ist es ratsam, nachzufragen. Dabei geht es nicht darum, festzustellen, ob Wunderheiler X in seinem Dorf angesehen ist, weil er angeblich kein Geld für seine Leistung verlangt (er akzeptiert vielleicht eine Spende von 100 oder 200 DM), und seine Wunderkräfte deswegen anzuzweifeln sind. Wir müssen schließlich alle unsere Position in der Gesellschaft verteidigen, und wir müssen alle Geld verdienen. Es geht vielmehr darum, erst festzustellen, ob die behaupteten Wunderkräfte tatsächlich vorhanden sind. Wenn es sich dann herausstellt, daß unser Wunderheiler lediglich ein beruhigendes Gespräch mit einigen Damen führt, aber keinen Krebs nachweislich geheilt hat, dann ist die Frage nach Motiven nicht nur angebracht; sie ist für das Verständnis des Phänomens unerläßlich. Daher wird diese Frage immer wieder gestellt.

Bevor wir die einzelnen Kapitel dieses Buchs vorstellen, möchten wir ein Beispiel für eine ungewöhnlichen Behauptung vorstellen. Ist der Sachverhalt möglich? Ist die Geschichte wahr? Werden Sie daran glauben, weil sie im Vorwort eines von Skeptikern geschriebenen Buches steht? Wir werden Sie aufklären, aber zunächst die Geschichte.

Macht Geld krank?

Jahrzehntelang litt Manfred S. (Name von der Redaktion geändert) an einer geheimnisvollen Allergie. „Es war die Hölle. Niemand konnte mir sagen, woher der Ausschlag kam. Plötzlich war er da. Dann konnte ich nachts vor Juckreiz nicht schlafen. Alle Tests verliefen ergebnislos.“ Dann aber machte sein Hausarzt eine verblüffende Entdeckung. „Ich wollte es selbst kaum glauben. Aber der Arzt sagte, er habe dieselben Symptome bei einer Anzahl von Patienten festgestellt“. Der Grund für das quälende Jucken war gefunden: sogenannte „Silber“-münzen - 1, 2 oder 5-Markstücke - die eigentlich eine Nickellegierung enthalten. Manfred S. konnte jetzt Abhilfe gegen seine Nickelallergie finden. Das heißt allerdings, er muß vor jedem Einkauf Gummihandschuhe überziehen, um den Kontakt mit dem krankmachenden Geld zu vermeiden. „Jetzt, wo ich in Rente bin, kann ich mir's aber nicht mehr leisten, jeden Tag einkaufen zu gehen,“ sagt der Vorruheständler. „Ich kann mir ein paar Gummihandschuhe am Tag einfach nicht mehr leisten. Es kommt manchmal vor, daß ich dasselbe Paar zweimal anziehen muß.“ Über die Gefahr, daß winzige Teilchen Nickelstaub beim zweiten Tragen ins Innere der Handschuhe gelangen könnten, spricht er nicht gern.

Immerhin hat Manfred S.s Leiden zur Gründung der Bundesinitiative für Gesundes Geld (BIGG) geführt, die sich seit 20 Jahren um die Belange der Geldkranken kümmert und die Bundesregierung auffordert, endlich sauberes Geld auszugeben. Mitte der 70er Jahre erreichte dieser gemeinnützige Verein einen vorläufigen Höhepunkt mit über 12.000 Mitgliedern. Aber auch dann wollte Bonn nichts unternehmen. „Sie haben einfach nicht gewollt,“ sagt Manfred S., „So stur kann nur der Mensch sein“.

Jetzt bahnen sich neue Gefahren an. Wie der Geschäftsführer von BIGG, Stefan P., erklärt: „Seit der Einführung der neuen Geldscheine in Deutschland vor einigen Jahren mehren sich die Hinweise, daß die Farbstoffe in den Banknoten weitaus mehr als nur Allergien auslösen können“. Die Farbstoffe seien angeblich notwendig, um die Scheine fälschungssicher zu machen. Und darin liegt die neue Gefahr: Weil die Farben jetzt aus fälschungssicheren Chemikalien bestehen, sind sie besonders giftig. Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, diffuse Ängste bis hin zu bleibenden Schäden. „Es sind sogar vereinzelt Fälle von Epilepsie und Diabetes aufgetreten“, erklärt Stefan P.

Manche Menschen - eben geldsensible - reagieren besonders heftig auf die neuen Scheine. Stefan P. erklärt, wie man herausfindet, ob man geldsensibel ist: „Nehmen Sie einen gefälschten und einen echten Schein. Der geldsensible oder - besser - geldgefährdete Mensch erkennt die Fälschung besser und schneller als eine Maschine und liegt nah bei 100% Trefferquote, manchmal darüber“. Wissenschaftler in den USA haben zudem festgestellt, daß die fälschungssicheren Chemikalien Krebs verursachen können, wenn sie Rattenfutter in den gleichen Konzentrationen beigemischt werden, wie sie auf den Banknoten zu finden sind. „Wenn es hier nur um einen vorübergehenden Gebrauch ginge, wäre es nicht so schlimm. Aber der Euro soll mit den gleichen Giften gedruckt werden, und dagegen laufen wir zur Zeit in Brüssel Sturm“.

Dagegen behaupten Skeptiker, die Gefahren seien zu vernachlässigen. Der Hautarzt einer städtischen Klinik dazu: „Die Leute von BIGG sind paranoid. Es wird nie eine Gefahr von Geldscheinen ausgehen“.

Die Gefahr ist noch nicht ausgestanden, da kommt neues auf uns zu. Stefan P.: „Wer denkt, er kann die Gefahr ausräumen, indem er auf den sogenannten bargeldlosen Verkehr umsteigt, irrt sich. Denn die Farbstoffe auf den Überweisungsträgern und Schecks stammen von derselben Firma. Da sind mafiaähnliche Strukturen am Werk“. Und was hält er von dem Lösungsvorschlag, Bankgeschäfte von zu Hause aus per Computer zu erledigen? „Das ist noch so eine Scheinlösung. Wegen des strahlenden Monitors steigt die Gefahr durch Elektrosmog. Sie würden damit nur den Teufel mit Beelzebub austreiben. Aber auch das Tragen einer Kreditkarte oder Scheckkarte in der Gesäßtasche kann u.a. zu Impotenz führen. Wir haben mehrere Fälle in den Akten“.

Was sagen die Gewerkschaften dazu? Schließlich sind es ihre Mitglieder, die am gefährlichsten leben. „Wir verhandeln mit den Banken,“ teilte uns ein Gewerkschaftssekretär mit, der seinen Namen nicht nennen wollte. „Das neue Geld können wir nicht einfach abschaffen, so sind die Arbeitgeber in einer denkbar schlechten Verhandlungsposition. Wir fordern Zulagen, die es unseren Mitgliedern ermöglichen, mehrmals im Jahr neue Schutzanzüge zu kaufen, die zwar unmodisch aber funktionell sind, und eine zusätzliche Gefahrenzulage. Dann müssen Bankgebäude umgebaut werden, um für eine ausreichende Belüftung der Geldbestände zu sorgen. Niemand kann sagen, was sonst passieren wird, wenn wir nichts unternehmen“.

Es bleibt zu hoffen, daß sich die Eurokraten in Brüssel von BIGG und ihren Mitstreitern in anderen europäischen Ländern beeindrucken lassen. „Im Herbst starten wir eine groß angelegte Kampagne. Schließlich verfügen wir über mehr als 50.000 Mitglieder. Wir werden eine Unterschriftensammlung durchführen und hoffen auf weit über eine Million Unterschrift, die dann nach Brüssel geschickt werden“.

Dennoch bleibt ein Problem, auch wenn BIGG Erfolg haben sollte: Wohin mit den alten Scheinen? Stefan P.: „Wir fordern die Bundesregierung ultimativ auf, ein Konzept hierfür zu erstellen. Verbrennen oder Deponieren kommt nicht in Frage. Und auf gar keinen Fall soll das Geld irgendwo in der Dritten Welt landen, wie der Müll vom Grünen Punkt. Es wird nicht billig sein - aber ein ökologisches Recyclingverfahren muß her“.

Quo vaditis sceptici?

Eine Bilanz von zwanzig Jahren Skeptizismus würde mit Sicherheit den Rahmen eines Buches sprengen: Wir haben uns auf eine Reihe von aktuellen Themen beschränkt, um die Rolle zu verdeutlichen, die der Skeptizismus bei der Suche nach Antworten auf gesellschaftlich und politisch relevante Fragen der Zeit spielen kann: Wer leugnet den Holocaust und warum?, Sind Unterschiede in Intelligenz vererbt - läßt sich Rassismus wissenschaftlich begründen?, und Gibt es AIDS ohne HIV - wie können wir sicher sein, daß die „Schulmedizin“ die Antwort liefern wird? Darüberhinaus haben wir eine Reihe von kürzeren Artikeln ausgewählt, die sowohl skeptische Dauerbrenner (wie den Fluch der Pharaonen) als auch neue Themen behandeln.

Warum greifen wir so heikle Themen wie die Leugnung des Holocausts oder Fragen nach IQ und Abstammung auf? Machen wir solche Themen damit nicht gesellschaftsfähig bzw. diskussionswürdig? Als Skeptiker sind wir überzeugt, daß Ideologiekritik allein nicht reicht. Denn es ist kaum eine Theorie denkbar, die nicht (auch) bestimmten Interessen dient oder dienen kann. Wichtig ist darüber hinaus der Nachweis, daß die Theorie falsch oder zumindest fragwürdig ist. Und das läßt sich nur feststellen, wenn die zu untersuchenden Behauptungen mit den relevanten Fakten konfrontiert werden. Gerade für Theorien, deren Implikationen weit in die politische Arena hineinreichen, ist es wichtig, die Argumentationsmuster des Gegners zu kennen, deren Schwachstellen und Stärken. So manche Ideologie kleidet sich im Gewand der Wissenschaft - und häufig ist es diese vermeintliche Wissenschaftlichkeit, die bestimmte Theorien attraktiv macht. Zu zeigen, daß bestimmte Behauptungen nicht nur gewissen interessierten Gruppen in der Gesellschaft nützen, sondern obendrein falsch oder durch keine Fakten gestützt sind, daß Wissenschaft mit allerlei Tricks oft nur vorgetäuscht wird, ist ein Beitrag zur politischen Aufklärung. Wir alle stehen in einem Netz sozialer Beziehungen, und oft werden wir mit Ansichten konfrontiert, die nicht die unseren sind - sei es am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder in Diskussionsforen im Internet. Dann Argumente bereit zu haben, nachprüfbare Argumente, statt nur das Etikett „Faschist“, „Rassist“ etc. für den Gegner, kann ein Beitrag sein auf dem Weg zu einer gerechteren und humaneren Gesellschaft. Denn eine gerechtere und humane Gesellschaft sollte auf Argumenten aufbauen und nicht auf bloßen Meinungen. Politik ist zwar nicht nur Diskurs, sondern vielfach ein Gerangel um Macht und Geld und Einfluß, doch ohne Diskurs verkommt Politik zum bloßen Catch-as-catch-can machiavellistischer Prägung. Die Verbreitung einer skeptischen, d.h. an keine Autoritäten oder Glaubensdogmen gebundene Grundhaltung, die auch den Mut besitzt, die eigenen Überzeugungen immer wieder zu hinterfragen, ist die Voraussetzung für eine demokratische Kultur, die auch den sozial Schwachen und Benachteiligten eine Chance zum Diskurs gibt.

Tim Trachet führt uns in die allgemeine Problematik der Geschichtsfälschung ein. Anders als in den Naturwissenschaften - die oft keinen Raum für Interpretation lassen - bieten die Geschichtswissenschaften aufgrund der Natur ihrer Beweise solchen Spielraum. Trachet zeigt, wie man die eigenen Vorurteile in die Vergangenheit hinein interpretieren kann, indem man historische Tatsachen (z.B. Zitate) in einem anderen als dem ursprünglichen Zusammenhang darstellt. Wenn man Cäsar nur sechs Worte über die Belgier sprechen läßt, dann sind sie die tapfersten aller Gallier. Wenn man ihn allerdings weiter reden läßt, dann findet man heraus, wie er zu dieser Feststellung gekommen ist, was sich alles andere als schmeichelhaft für die Belgier erweist. Historische Methodik besteht nicht darin, Beweise zu suchen, die die eigene Sicht der Dinge bestätigt, sondern zu versuchen, alle Beweise zu würdigen.

Wie dies gemacht wird, zeigt Michael Shermer in seinem Aufsatz über die Leugnung des Massenmords an den Juden durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich. Shermer ist Herausgeber von SKEPTIC und Vorsitzender der Skeptics Society (P.O.Box 338, Altadena, CA 91001, Tel.: +1-818-794-3119, Fax: +1-818-794-1301, http://www.skeptic.com) und hat sich die Mühe gemacht, Holocaustleugner in den USA danach zu fragen, warum sie den Holocaust leugnen. Es sollte nicht überraschen, daß sie alle dies taten, nicht etwa weil die erdrückende Last der Beweise sie zu diesem Schluß gezwungen hätte, sondern aus anderen, persönlichen und manchmal auch wirtschaftlichen, Gründen. Dabei nutzen sie Kontroversen unter Historikern aus; sie stellen sie verzerrt dar, als ginge es in der Debatte darum, die Existenz eines Phänomens überhaupt zu bestätigen oder nicht. Es wird z.B. heute darüber debattiert, ob Hitler und seine Minister Befehle erließen, um den Holocaust in Gang zu bringen. Die eine Seite behauptet, ja, die Naziführung hatte es vor, die Juden umzubringen (Intentionalismus); die andere Seite behauptet, nein, es gab keine Befehle von oben. Es sei vielmehr eine sich verselbständigende Bürokratie, die für den Holocaust verantwortlich zu machen ist (Funktionalismus). Aber auch diese Darstellung der Debatte ist bereits zugespitzt formuliert, denn die meisten Historiker gehen davon aus, daß ein (vermutlich größerer) Teil der Morde auf einen Befehl Hitlers zurückzuführen ist, und ein (vielleicht kleinerer) Teil auf die verwilderte Bürokratie. Als wahrscheinlichste Erklärung erscheint also kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Keine Seite aber zweifelt daran, daß mehr als 5 Millionen Menschen umgebracht wurden. Nichts an dieser Debatte kann die Behauptungen der Holocaust-Leugner unterstützen.

Ein Buch mit dem Namen The Bell Curve hat in den USA vor kurzem eine Lawine losgetreten. Frank Miele von SKEPTIC hat ein Interview mit einem der Autoren, Charles Murray, geführt, und ihn um eine Zusammenfassung seiner Schlußfolgerungen gebeten. Dies ist umso wichtiger, da das 845 Seiten starke Buch kaum verständlich für den mathematischen Laien sein wird. Kurz zusammengefaßt behauptet Murray, Intelligenz sei etwas handfestes, etwas wichtiges - nicht nur in der Schule, sondern auch für das berufliche Fortkommen und überdies lasse sich ein Zusammenhang z.B. mit Kriminalität nachweisen. Woran sich die Geister aber scheiden, ist die Behauptung, daß der gemessene Unterschied beim IQ von 15 Punkten zwischen weißen und schwarzen Amerikanern auf genetische Unterschiede zurückzuführen sei. Wenn sich das bewahrheiten soll, dann müßte man Konsequenzen ziehen, z.B. bei staatlichen Programmen für die Quotierung von Studienplätzen nach Herkunft.

Murray antworten gleich drei AutorInnen. Diane F. Halpern argumentiert, daß Murray IQ-Werte lediglich zur Unterstützung ultrakonservativer politischer Vorstellung benutzt. Sie geht auf jeden Punkt Murrays ein, und zeigt, daß sie nicht hieb- und stichfest sind, und daß sie daher die geforderten Konsequenzen nicht rechtfertigen. So läßt sich z.B. nicht ausschließen, daß der in IQ-Tests festgestellte Intelligenzunterschied zwischen Schwarz und Weiß auf kulturelle Verschiedenheiten zurückgeführt werden kann.

G.A. Elmer Griffin faßt die wissenschaftliche Kritik an Murrays Arbeit zusammen und legt Murrays Vorurteile in einem Vergleich mit dessen früherem Werk Losing Ground dar. Es sei von der Angst weißer Amerikaner motiviert, an Ansehen, Macht und Kontrolle über ihr wirtschaftliches Wohlergehen zu verlieren. Aber der Schuß könnte nach hinten losgehen. Denn die Empörung über den Ausgrenzungsversuch durch The Bell Curve ist groß und könnte einen neuen schwarzen Widerstand entstehen lassen, denn das Buch wecke „Zorn sogar bei den dümmsten Schwarzen“.

Carol Tavris geht auf den Punkt ein, inwieweit Intelligenz vererbbar sei. Daß Intelligenz als ein Produkt der Evolution vererbbar sein muß, steht außer Frage. Auch, daß einige Menschen mehr Intelligenz als andere geerbt haben, wird nicht bestritten. Aber sie zeigt, daß das, was in einem Intelligenztest gemessen wird, nicht unbedingt die allgemeine Intelligenz ist, und daß viel mit der kulturellen Herkunft zusammenhängt. Und sie zeigt den entscheidenden Fehler Murrays auf: die Annahme, daß genetische Unterschiede, die zur Erklärung von Unterschieden zwischen Individuen innerhalb einer Gruppen herangezogen werden können, auch die Ursache für Unterschiede zwischen Gruppen sein müssen. Alle drei Gegner Murrays sind geprägt von dem Willen, äußerliche, wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen Weißen und Schwarzen in den USA zu überwinden. The Bell Curve - nur wissenschaftlich verbrämter Rassismus?

In den letzten Jahren haben sich einige gesellschaftliche Bewegungen in den USA ausgebreitet und auch schon Deutschland erreicht. Da ist zum einen eine moderne Form der Hexenjagd, wobei die neuen Hexen oft wie die Opfer vergangener Jahrhunderte unschuldige BürgerInnen sind, nur daß von ihnen nicht behauptet wird, sie flögen auf Besenstielen durch die Luft.

Victor S. Jeffrey faßt die soziologischen Erkenntnisse über eine moderne Art des Hexenwahns zusammen, der in den USA, aber auch in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland grassiert. Es geht um angeblichen sexuellen Mißbrauch, etwa um den Fall des McMartin Kindergartens in Kalifornien, wo eine Mutter den Betreuern vorwarf, die Kinder mißbraucht zu haben. Die Vorwürfe eskalierten, als die Kinder mit ihren Aussagen den angeblichen Mißbrauch bestätigten. Allerdings mußte die Anhörung der Kinder aufgrund der angewandten Methoden (Suggestivfragen, Dauerbefragung usw.) fast unausweichlich diese Aussagen zur Folge haben. Mitgliedern der McMartin-Familie, die als Betreuer im Familienunternehmen tätig waren, wurde der Prozeß gemacht. Es wurde der längste Strafprozeß in der Geschichte der USA und endete mit Freisprüchen aus Mangel an Beweisen. Ähnlich gelagert sind Fälle von angeblichem Mißbrauch, in denen sich Frauen unter Hypnose daran „erinnern“, von Eltern usw. in satanistischen Ritualen sexuell mißbraucht worden zu sein. Um sie zum Schweigen zu bringen, seien sie danach einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Aber solche Erinnerungen sind in der Regel falsch.

Laura Pasley schildert eindrucksvoll, wie sie selbst dazu kam, an solche falschen Erinnerungen zu glauben. Ihr Psychotherapeut hat sie ihr aufgezwungen, weil er davon ausging, daß die versteckten Erinnerungen die psychischen Schwierigkeiten seiner Klientin ausgelöst hatten.

Diesen Beispielen von Hexenjagd liegt eine pseudowissenschaftliche Theorie über Gedächtnis zugrunde. Viele Menschen glauben, daß das Gedächtnis wie eine Videokamera funktioniert, die alles aufnimmt und archiviert. In diesem Modell geht auch nichts verloren und nichts „vergilbt“ - das Gedächtnis als Supervideokamera. In Wirklichkeit aber rekonstruieren wir jedesmal, wie wir zum Hier und Jetzt gekommen sind, und nennen dies „Gedächtnis“. Manche können dies besser, andere schlechter. Da, wo man etwas „vergessen“ hat, versucht man die Lücke glaubhaft zu füllen. Deswegen können Erinnerungen fehlerhaft sein. Man spricht von „Konfabulieren“, einer „Erdichtung“ der Vergangenheit, um die Gegenwart zu erklären („wie könnte es gewesen sein“). In einer Situation, in der Erinnerungen an satanistisch-rituellen Mißbrauch erwartet werden, findet man sie auch, besonders wenn es keine anderen Erinnerungen gibt, die den Erwartungen widersprechen. Und wieviele Erinnerungen haben wir aus frühester Kindheit?

Eine zweite populäre Bewegung, die zu uns herübergeschwappt ist, ist „Facilitated Communication“, eine Methode, die angeblich Menschen mit schwerwiegenden Kommunikationsschwierigkeiten hilft, sich mitzuteilen. In Deutschland kennt man die Methode durch die Gedichte von Birger Sellin. Sellin ist Autist und durch FC hat er angeblich das Dichten gelernt. Bemerkenswert an seinen Gedichten ist, daß sie aus der Perspektive des Nicht-Autisten geschrieben sind. Hier haben wir einen Menschen, der sein ganzes Leben als schwer kommunikationsgestört galt, und plötzlich teilt er jetzt Selbstbeobachtungen mit, als sei er ganz „normal“ gewesen. Gina Green klärt uns auf, was dahinter steckt. Die Botschaften, die durch FC gemacht werden, stammen in den wenigsten Fällen von den behinderten Menschen selbst. Vielmehr stammen sie von einem „Facilitator“, einer Art Vermittler. Green stellt die Entwicklung von den Anfängen in Australien an dar und auch den vorläufigen Höhepunkt: falsche Anschuldigungen des sexuellen Mißbrauchs, die durch FC produziert wurden.

Keine Sammlung skeptischer Aufsätze wäre vollständig, ohne einen von Dr.h.c. James „The Amazing“ Randi. Randi hat 1996 eine Stiftung gegründet (The James Randi Educational Foundation, 201 SE Davie Blvd., Fort Lauderdale, FL 33316, USA, Tel.: +1-954-370-1128, Fax: +1-954-370-1129, http://www.randi.org), die Forscher unterstützen wird, die paranormale Phänomene untersuchen. Sein Thema diesmal: Der Fluch der Pharaonen. Die Geschichte hat sich in manchen Köpfen so fest etabliert, daß sie zum meist geglaubten Unsinn gehört. Für die mysteriösen Tode im Ausgrabungsteam sei vielleicht ein Pilz verantwortlich, der bei der Ausgrabung freigesetzt wurde... Halt! Randi pfeift uns zurück! Die mysteriösen Tode! Die gab es gar nicht! Alle Beteiligten sind an natürlichen Ursachen gestorben, der Lebenserwartung der Zeit entsprechend.

Der Untersuchungsbeauftragte von CSICOP, Joe Nickell berichtet über den angeblichen Befund von palästinensischen Pollen auf dem Turiner Grabtuch. Der Bischof von Troyes, Pierre d'Arcis hatte kurz nach dem ersten Auftauchen des Grabtuchs in Frankreich 1389 eine Untersuchung durchgeführt und war zu dem Schluß gekommen, daß das Bildnis auf dem Tuch „listig aufgemalt“ wurde, und daß die ganze Inszenierung (inklusive gefälschter Heilungen und anderer Wunder) nur dem Zweck gedient haben soll, an das Geld der Gläubigen zu kommen. In diesem Jahrhundert haben Isotopentests eindeutig ergeben, daß der Bischof mit seiner Vermutung einer Fälschung recht hatte; auch die Webart des Stoffes deutet auf ein mittelalterliches Fabrikat hin. Dennoch versuchen Sindologen (wie sich die „Tuchwissenschaftler“ nennen) immer wieder zu beweisen, daß das Turiner Tuch das echte Grabtuch Jesu sei (es gibt auch andere). Der Schweizer Kriminologe Max Frei-Sulzer hatte Pollen auf dem Tuch gefunden; eine andere Untersuchung ergab, daß Freis Proben gefälscht waren. Es stellen sich aber weitere Fragen, z.B. wie sind die palästinensischen Pollen denn auf das Tuch gekommen (es ist in den letzten 600 Jahren nur in Frankreich und Italien gewesen)? Warum sind keine italienischen oder französischen Pollen gefunden worden? Aber auch wenn eine einwandfreie Untersuchung zeigen würde, daß 2000 Jahre alte palästinensische Pollen auf dem Grabtuch vorhanden sind und man befriedigende Antworten auf die dabei aufgeworfenen Fragen finden würde, müßte noch vieles getan werden, um zu beweisen, daß es sich um das Grabtuch Christi handelt. Jedenfalls sind die Beweise dagegen erdrückend.

Werden wir nach dem Tode wiedergeboren? Ian Stevenson glaubt daran und schrieb 1974 ein Buch, das im Original Twenty Cases Suggestive of Reincarnation, also 20 Fälle, die Reinkarnation nahelegen, heißt. Aus Gründen, die uns nicht ganz klar sind, heißt es in der deutsche Ausgabe dann „beweisen“ statt „nahelegen“, wie dem Journalisten Holdger Platta aufgefallen ist. Das sind doch zwei Paar Schuhe! Es kommt aber schlimmer. Leonard Angel hat den „beeindruckendsten“ Fall Stevensons untersucht. Der legt aber etwas ganz anderes nahe; es lassen sich andere Erklärungen für Stevensons Fall von Imad Elawar finden als Reinkarnation und die angegebenen Übereinstimmungen zwischen den behaupteten Erinnerungen und der Wirklichkeit sind nach eingehender Betrachtung wenig beeindruckend.

Bernard Leikind berichtet über einen Nervenkitzel besonderer Art: einen Feuerlauf. Leikind läuft seit einigen Jahren über heiße Kohlen, und bezeichnet sich als „sensible firewalker“, d.h. entweder „sensibler“ oder „vernünftiger“ Feuerläufer. Auf jeden Fall hat er sich die Sohlen nie verkohlen lassen und das führt er darauf zurück, daß heiße Kohlen nicht genug Wärme auf die Füße eines Feuerläufers übertragen können, um Verbrennungen zu verursachen. Verschiedene Materialien unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, Wärme zu leiten, und heiße Kohlen sind eben schlechte Wärmeleiter. Man kann am Beispiel eines gewöhnlichen Küchenherdes feststellen: In einem Backofen wird ein Kuchen bei 200ºC gebacken. Die Luft ist 200º warm, ebenso der Kuchen, das Blech, die Ofenwand und die Glastür. Die Luft fühlt sich warm an, der Kuchen auch; die restlichen Teile fühlen sich nicht nur warm an, sie verursachen bei Berührung binnen kurzer Zeit Verbrennungen. Auf jeden Fall braucht man keinen besonderen Bewußtseinszustand oder sonstige Vorbereitung, wie Leikind humorvoll zeigt.

Der längste Beitrag beschäftigt sich mit einem medizinischen Thema: AIDS ohne HIV? Als Anfang der 1980er diese neue Seuche entdeckt wurde und sich relativ schnell ausbreitete, fanden einige Menschen Gefallen daran, einem verschreckten Publikum zu erzählen, daß wir alle bald an AIDS erkranken würden und daran sterben müßten. Düstere Szenen wurden an die Wand gemalt. Aber bereits damals wußte man genug über die Ausbreitung der Krankheit, um zu wissen, daß hier nur Horrorszenarien verbreitet worden waren. Wenig später glaubte man, den Erreger der Krankheit gefunden zu haben, einen Virus namens HIV. Trotzdem scheint man in den letzten 12 Jahren mit einer Therapie für AIDS oder einem Impfstoff gegen HIV nicht viel weitergekommen zu sein. Zumindest wurde weder das eine noch das andere Ziel erreicht.

Oder hat die Schulmedizin versagt und bekommt AIDS nicht unter Kontrolle, weil AIDS in Wirklichkeit nicht von HIV verursacht wird? Vielleicht ist etwas anderes hier am Werk, vielleicht sind sogar mehrere Ursachen verantwortlich? In den USA werden diese Thesen hauptsächlich von den HIV-„Skeptikern“ oder AIDS-„Häretikern“ Peter Duesberg und Robert Root-Bernstein vertreten. In einer detaillierten Analyse zeigt Steven B. Harris, wie man überhaupt zu dem Schluß gekommen ist, die Schuld für AIDS an den HIV zu koppeln, ohne einem Zirkelschluß zu unterliegen. Zunächst wurde AIDS ohne Rückgriff auf HIV als eine Immunschwäche definiert, in der eine besondere Art von Zellen angegriffen wird (nach und nach verschwinden sie), und schließlich ist die Immunschwäche so weit fortgeschritten, daß der Kranke an seltenen Krankheiten stirbt, gegen die er keine Abwehrkräfte mehr hat. Dann entdeckte man den Virus, und daß das Vorhandensein des Virus das sicherste Merkmal des schleichenden Todes ist.

Duesberg und Root-Bernstein wollen es anders wahrhaben und werfen den „Schulmedizinern“ vor, eine falsche Theorie zurecht gebastelt zu haben. Allerdings, wie Harris zeigt, weiß man inzwischen viel mehr über den Virus als kurz nach seiner Entdeckung, und die Hinweise deuten ziemlich sicher auf HIV als Ursache von AIDS bei Menschen, denn man hat andere Viren entdeckt, die bei entsprechenden Tieren eine AIDS-ähnliche Krankheit ausbrechen läßt (FIV bei Katzen und SIV bei Affen).

Den Ausblick präsentiert Paul Kurtz. Ist es denn wichtig, ob AIDS von HIV verursacht wird oder nicht? Und es ist wichtig, dies wissenschaftlich festzustellen? Kurtz beantwortet beide Fragen mit ja. Es reicht eben nicht aus, dem zu glauben, der bloß behauptet, er wisse die Antwort. Wer Antworten auf unsere Fragen und Lösungen für unsere Probleme anbietet, muß sich an der Wissenschaft beteiligen, muß sich mit deren Maßstäben messen lassen. Etwas wissenschaftlich zu beweisen, heißt auch: die Mehrheit von Wissenschaftlern durch experimentelle und andere nachvollziehbare Beweise zu überzeugen. Die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit dagegen führt zu einer Orientierung an Autoritäten, die nicht mehr hinterfragt werden, und die Aufgabe der Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen mit sich bringt.

Und das ist (auch wenn wir Paul Kurtz nicht in allen Enzelheiten zustimmen) auch unsere persönliche Überzeugung. Um freie Entscheidungen zu treffen, muß man zuverlässige Erkenntnisse über eine Situation und über die Folgen von möglichen Handlungen besitzen. Darin liegt der Wert des Skeptizismus für politische Entscheidungen.

Und das Geld?

Daß Geld krank machen soll, war eine Idee von Sybille Traupe. Wir haben die Geschichte so absurd wie möglich gestaltet. Falls Sie sich gewundert haben, wie man eine Trefferquote von mehr als 100% erreichen kann - wir haben die Behauptung von einem Wünschelrutengänger gehört. Und was sind „fälschungssichere Chemikalien“? Die Phrase ist eine Mantra, eine Art Beschwörungsformel, die sich relativ leicht merken läßt, die beruhigt, die eindrucksvoll klingt, aber ganz ohne Bedeutung ist. Hören Sie sich um. Sie werden Mantras als eine Art Ersatzwissen für sich entdecken.

Es ist nicht auszuschließen, daß eines Tages eine Regierung beschließt, giftiges Geld zu drucken. Bis dahin aber bleiben wir skeptisch.

Michael Shermer
Benno Maidhof-Christig
Lee Traynor

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