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Skeptiker 97-3

Die Medien und das Paranormale

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Editorial: Ein "X" für ein "U"? - Verrechnet!

Das hat wieder kein Hellseher vorrausgesagt: Am Freitag, dem 14. 3., landete das GWUP-Vorstandsmitglied Ralf Wambach aus Wuppertal gegen 16 Uhr auf dem Münchener Flughafen. Eine Stunde später sollte der Physiker an einer Aufzeichnung der Pro 7-Show "Talk X" zum Thema "Akasha-Chronik" teilnehmen. Doch noch auf der Fahrt ins Studio bekam der Fahrer der Produktionsgesellschaft telefonisch die Order, Wambach zum Flughafen zurückzubringen. "Talk X" werde mit sofortiger Wirkung eingestellt (lesen Sie hierzu auch Wambachs Bericht auf S. 108). Nach nur vier Wochen hatte der Münchener Kommerz-Sender die tägliche Plauderei zwischen Himmel und Erde sang- und klanglos wieder abgesetzt. In einer kurzen Mitteilung an die Presse hieß es lapidar, "Talk X" sei quotenmäßig weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Nur knapp 6000 Zuschauer wollten täglich um 15 Uhr dieses "mentale Wachsfigurenkabinett" (Frankfurter Rundschau) sehen. Das entspricht einem Marktanteil von 6,5 %. Die RTL-Konkurrenz "Ilona Christen" bringt es zur gleichen Sendezeit auf 17,5 %.

Über die Gründe kann spekuliert werden. Nicht ganz zu vergessen ist dabei sicherlich die Tatsache, daß Pro 7 diesen Sommer an die Börse gehen will. In dieser Situation muß eine neue Sendung sofort Geld einbringen - oder sie wird gnadenlos gekippt. Sogar die Pro 7-Starmoderatorin Arabella Kiesbauer wurde im März mit "Arabella Night" von ihrem Sender in eine "kreative Pause" geschickt - bei einem Marktanteil von immerhin 10 % pro Ausgabe. Insofern kann man das Thema einer der ersten "Talk X"-Folgen im nachhinein fast als böses Omen für die Sendereihe werten: Da ging es nämlich um "Reich werden".

Aber warum haben die Quoten nicht gestimmt? Auf neutrale Zuschauer dürfte das "Talk X"-Konzept eher geisttötend denn be-geisternd gewirkt haben. Denn der erklärte Anspruch der Redaktionsleitung, Übersinnliche Phänomene weder zu werten noch wissenschaftlich zu hinterfragen - sondern zu demonstrieren und zu diskutieren", ließ wohl alle diejenigen mit einem hilflosen Kopfschütteln zurück, die sich mit der Materie noch nie beschäftigt haben. Mit anderen Worten: Bei "Hans Meiser" oder "Bärbel Schäfer" einem Gespräch (Diskussion mag man das dann lieber nicht mehr nennen) zum Thema "Ich uriniere nur im Stehen" zu folgen, ist vermutlich doch leichter, als bei "Talk X" den seltsam-lächerlichen Liebesritualen der "Hexe Sandra" irgendeinen tieferen Sinn abzugewinnen.

Aber auch esoterisch Interessierte dürften enttäuscht gewesen sein von der Art und Weise, mit der banale Allerweltsthemen wie "Essen", "Kampfsport", "Wasser" oder "Schlangen" krampfhaft auf Übersinnlich" getrimmt wurden. Außerdem ist die Esoterik-Szene in sich viel zu inhomogen, um sich massenhaft jeden Tag aufs neue für eine solche Talkshow zu begeistern. Denn: Ein Mond-Freak oder ein "Geisterjäger" interessiert sich nicht unbedingt auch für Bach-Blüten und Sekten-Gurus.

Auch die Skeptiker schließlich stellten ihre Mitwirkung an dem verquasten Eso-Talk zunehmend in Frage. Bei einem GWUP-Seminar im Herbst letzten Jahres zum Thema "Medien" waren die Teilnehmer zu der Übereinkunft gekommen, die geplante Pro 7-Reihe zunächst einmal mit Info-Material und Studiogästen zu unterstützen. Doch die Ernüchterung stellte sich - wie schon so oft - sehr bald ein: Weder blendete die "Talk X"-Redaktion (entgegen einer mündlichen Zusage der Produktionsfirma) eine Kontakt-Adresse der GWUP ein, noch fand die Gesellschaft überhaupt Erwähnung; bei der Vorstellung der Studio-Gäste durch die Moderatorin Andrea Kiewel erfuhren die Zuschauer in der Regel nichts außer dem Namen. Fast überflüssig zu erwähnen, daß die Redebeiträge der Skeptiker nicht selten bis zur Konturlosigkeit zusammengeschnitten wurden.

Immerhin: Das Talk X"-Desaster dürfte dem Esoterik-Boom im deutschen Fernsehen einen empfindlichen Dämpfer verpaßt haben. Ist es zu gewagt, auf die Einsicht der Sender zu hoffen, daß es so eben doch nicht geht, weil sich keineswegs alle Menschen in diesem Land freiwillig fAr dumm verkaufen lassen wollen? Daß dreiste Veralberungen der Zuschauer wie zum Beispiel Geller-Zaubertricks (S. 82) nicht mehr durchgehen? Daß konkrete Vorschläge und Angebote seitens der GWUP zu einer ausgewogeneren Gestaltung solcher "UFOtainment"-Sendungen (Der Spiegel) künftig etwas bereitwilliger aufgegriffen werden? Man wird sehen. Die sprichwirtliche Rechnung, dem Zuschauer jedes X für ein U vormachen zu können, geht jedenfalls offenkundig nicht immer auf.

Bernd Harder

Danke für Ihr Interesse!


Skeptiker 97-3 Inhaltsverzeichnis
Editorial: Ein "X" für ein "U"? - Verrechnet!Bernd Harder
Die Realität des Paranormalen im FernsehenWolfgang Fach, Annette Wiedemer
Uri Geller und seine Fernseh-TricksRudolf Henke
Forum - Gauquelins "Mars-Effekt": Illusion oder Irritation?Suitbert Ertel
Forum - Ertels "Mars-Effekt": Anatomie einer PseudowissenschaftJan Willem Nienhuys
Forum - Der "Mars-Effekt": Besteht noch Forschungsbedarf?Edgar Wunder
Berichte - World Wide WeirdAxel Becker
Berichte - Das Ende von "Talk X"- hautnah dabeiRalf Wambach
Berichte - Hintergründe und Folgen des "Talk X"-FiaskosEdgar Wunder
Panorama
Buchkritik